Geschichte Braunkohlentagebau

Braunkohlenbergbau im Helmstedter Revier

Der Braunkohlenbergbau trat im Herzogtum Braunschweig in seiner sorgenvollsten Zeit ins Leben. Unter Herzog Carl I. war die Schuldenlast des kleinen Staates auf 12 Millionen Taler angewachsen. Das Bestreben seines Nachfolgers Herzog Carl Wilhelm Ferdinand, der 1780 die Regierung übernahm, war es, diese Schuldenlast zu tilgen und die öffentlichen Finanzen zu ordnen. Er erschloss dem Land neue Erwerbsquellen und förderte eifrig den Bergbau.

In der Entwicklung der Braunschweigischen-Kohlebergwerke verkörpert sich die Wirtschaftsgeschichte von Helmstedt und Schöningen. Beide Städte und die umliegenden Dörfer wurden einbezogen in das Kraftfeld einer rasch aufblühenden, weitverzweigten Industrie. Durch die Entdeckung der Salzquellen wirkte einst der Bergbau für Schöningen stadtbildend, ein Vorgang, dem der Braunkohlenbergbau den Auftrieb gab. Hemmend wirkte die Nähe von Braunschweig und Magdeburg. Helmstedt und Schöningen konnten sich nur im Rahmen zu kleinen,  selbstgenügsamen Landstädte entfalten.

Weit über 200 Jahre prägte der Bergbau diese Region. Das Viereck Helmstedt, Schöningen, Offleben und Harbke drückte der Landschaft seinen ganz eigenen Stempel auf. Die zahlreichen Tagebaue sind Zeichen dieser 200jährigen Bergbaugeschichte und dokumentieren die menschlichen Leistungen der Bergleute. In einem langen, schmalen Streifen zieht sich von Helmstedt bis Oschersleben das Braunkohlenlager. Vom Bergmann aus dem Urgrund der Erde gehoben, wurde es das nährende Strombett des Landes. In ihrer ganzen Längenausdehnung war die Helmstedt-Oschersleber Mulde einst von Gruben übersät. Die große Zahl der Schachtanlagen sind ein Zeugnis für die Mannigfaltigkeit der Bergwerksunternehmen.

Die nennenswerten Tagebaue:
•    Tagebau Treue
•    Tagebau Helmstedt
•    Tagebau Schöningen
•    Tagebau Alversdorf / Victoria
•    Tagebau Wulfersdorf

Die Brikettfabriken

Der Brennstoff „Brikett“ hat fast 90 Jahre Wärme und Zufriedenheit gespendet. Dieser spezielle Wirtschaftszweig hat der BKB über mehrere Generationen hinweg, durch die Arbeitskraft der Mitarbeiter, zu seiner vollen Blüte verholfen.
Die in den Gruben gewonnenen Braunkohle war nur in stückiger Form für die Rostfeuerung beim Hausbrand und den gewerblichen Abnehmern geeignet.
Die beim Abbau anfallende Feinkohle galt als nicht verwertbar und landete auf Feinkohlenhalden. Um sie doch nutzbar zu machen, wurde das Herstellungs- verfahren von Ziegelsteinen benutzt. Mit Wasser und anderen Bindemitteln wie Ton vermengt und zu einer teigigen Masse geknetet und in Kastenformen gepresst.
1880, nach 22-jährigen Versuchen, gelang es schließlich Braunkohle zu verpressen und die Roh- kohle nach Aufbereitung und Trocknung zu Briketts zu verarbeiten. Durch diese Brikettierung öffneten sich für die Verwendung von Braunkohle neue ungeahnte Möglichkeiten, die das Arbeitsleben und die Industrie sichtbar veränderten. Brikettfabriken schossen wie Pilze aus dem Boden.
Die Jahresbriketts und Schmuckbriketts waren zu beliebte Sammlerobjekte. Zu dessen Herstellung waren extra zwei Leute beschäftigt. Sie wurden zu besonderen Anlässen gefertigt oder auch mit Namen der Mitarbeiter zu verschiedenen Jubiläen.

Brikettfabriken:
•    Brikettfabrik „Victoria“ in Hötensleben   (1881-1921)
•    Brikettfabrik Harbke (1888-1909);    (Übernahme durch die BKB von 1915-1930)
•    Brikettfabrik „Jacobsgrube“ (1889-1930);    (auch von der BKB übernommen)
•    Brikettfabrik „Caroline“ bei Offleben       (1880-1933)
•    Brikettfabrik„Fürst Bismarck“ bei Völpke (1898-1992)
•    Brikettfabrik „Friederike“ bei Hamersleben (1889-1903)
•    Brikettfabrik Treue III, Grube Trendelbusch (1893-1959)
•    Brikettfabrik Treue IV (1900-1974)

Das Ende der Braunkohlenförderung

Nach fast 150 Jahren endete im Mai 2016 der Kohleabbau im Helmstedter Revier und damit der letzte Tagebau der ausgekohlt wurde.  Die Geschichte des Helmstedter Reviers begann am 26. Januar 1873 mit der Gründung der Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke (BKB). Bis zu diesem Zeitpunkt waren  160 Mitarbeiter im Tagebau tätig. Anfang der 50er Jahre waren es bis zu 7.000 Mitarbeiter und damit die prägende Wirtschaftsgeschichte der Region.

Pro Tag betrug die Fördermenge der Bagger 44 und 45 rund 30.000 Kubikmeter Abraum, das heißt ca. 9.000 Tonnen Kohle. Das Schaufelrad des riesigen Abbaugerätes hat einen Durchmesser von 11,5m und das Kohleförderband zum Kraftwerk ist 4,5 km lang.
Im Schöninger Tagebau, im Südfeld wurden seit Oktober 1985 rund 225 Millionen Kubikmeter Abraum bewegt und seit 1992 wurden etwa 39 Millionen Tonnen Kohle gefördert.

Im Schöninger Tagebau, im Nordfeld waren es seit 1979 ca. 86 Millionen Kubikmeter Abraum und bis 1997 rund 15 Millionen Tonnen Kohle.

Die Braunkohle war die heimische Primärenergie für die Stromversorgung zwischen Harz und Heide von  1974 – 2016

200 Jahre Bergbau - Eine Chronik

1725 hat man vermutlich die erste Braunkohle bei Frellstedt im Herzogtum Braunschweig gefunden.
1794 Der Theologiestudent Johann Friedrich Koch legte die erste  Kohlegrube in Form einer Schachtanlage an
1795 wurden die ersten Schürfrechte an den Studenten Koch verliehen
1816 begann der Herzogliche Bergbau
1821 erfolgte der Aufschluss der Grube Prinz Wilhelm, Wolsdorf und die Grube (alte) Treue Schöningen
1846 folgten die Tiefbaue Trendelbusch Runstedt und (neue) Treue Schöningen, Alversdorf
1860  begann die Entwicklung der Maschine zur Herstellung von sogenannten Nasspresssteinen
1873 die Gründung der BKB (Braunschweigische Kohlebergwerke)
1874 wurde der erste Tagebau in Betrieb genommen (Trendelbusch)
1881 Aufschluss des Tagebaus Treue I
1887 nahm die Brikettfabrik Treue I ihren Betrieb auf und erzeugten die ersten Briketts
1893 folgte Trendelbusch mit der zweiten Brikettfertigungsanlage
1896 Elektrische Zentrale Grube Wilhelm
1900 überstieg die Kohleförderung erstmals eine Million Tonnen pro Jahrhundert, davon 300.000 Tonnen Briketts. 25 Jahre später waren es 1,2 Millionen Tonnen Briketts, die in den Pressen der BKB-Fabriken hergestellt wurden. 1955 erreichte die Brikettfabrikation ihren Höhepunkt.
1905 gründete die BKB AG die Überland-Zentrale Helmstedt (ÜZH), eine Tochtergesellschaft der BKB
1906 Elektrische Zentrale Grube Emma
1908 elektrische Zentrale Grube Treue
1909 Kraftwerk Harbke ging ans Netz
1911 Aufschluss Tagebau Treue III
1925 Stilllegung des Südschachtes „Prinz Wilhelm“. 100 Jahre Tiefbaugeschichte beendet.
1935 wurde der Tagebau Wulfersdorf erschlossen
1936 das Schwelwerk Offleben nimmt seinen Betrieb auf
1940 Aufschluss Tagebau Viktoria
1949 Gründung der Wohnungsbaugesellschaft niedersächsischer Braunkohlenwerke mbH (WBG)
1952 komplette Grenzschließung der DDR, Fördereinstellung  Tagebau Wulfersdorf, Teile des Tagebaus Viktoria, die Brikettfabrik Bismarck und das Kraftwerk Harbke. Damit gingen 62% der im Tagebau gewinnbaren Kohle verloren.
1954 geht das Kraftwerk Offleben ans Netz.
1962 wurde der Tagebau Alversdorf aufgeschlossen, da so viel Kohle an die DDR verloren ging.
1963 Fördereinstellung Tagebau Viktoria
1972 Aufschluss Tagebau Helmstedt.
1974 Fördereinstellung Tagebau Treue
1974 Einstellung der Brikettherstellung. Die BKB wurde zum reinen Stromerzeuger
1976 einigte sich die BRD und die DDR auf eine gemeinsame Nutzung der Grenzpfeilerkohle.
1978 wurde der Tagebau Schöningen aufgeschlossen

Im Nordfeld Schöningen wurden seit 1979 ca.86 Millionen Tonnen Abraum bewegt
1980 Beginn mit dem Bau des Kraftwerkes Buschhaus, welches 5 Jahre später ans Netz ging
1985 Außerbetriebnahme des alten Kraftwerks Buschhaus
Seit 1985 wurden im Tagebau Schöningen, Südfeld 225 Millionen Kubikmeter Abraum bewegt.
1987 erfolgt die Einweihung der Rauchgas- entschwefelungsanlage. Das Kraftwerk Buschhaus- wird nun mit Salzbraunkohle betrieben
1991 Tagebau Alversdorf ausgekohlt
Seit 1992 im Südfeld Schöningen 39 Millionen Tonnen Kohle gefördert
1994 wird am Rand des Tagebaus Alversdorf das Kompostwerk sowie die Bauschuttrecycling-Anlage eingeweiht
1996 wird der Grundstein für die Thermische Restabfallvorbereitungsanlage gelegt, die 1999 eingeweiht wird.
Bis 1997 wurden im Nordfeld Schöningen 15 Millionen Tonnen Kohle gefördert
2008 gab es eine weitere gravierende Veränderung für das Unternehmen. Die Braunkohleverstromung ging in die E.on Kraftwerke GmbH auf
2008 waren es noch 500 Mitarbeiter in der Sparte Braunkohlenverstromung. Aus einem Kilogramm Kohle erzeugte das Kraftwerk Buschhaus eine Kilowattstunde Strom.
2013 erwirbt die Mitteldeutsche Braunkohlen- gesellschaft mbH (MIBRAG) das Revier
2014 beendet der Bagger 45 seinen Einsatz. Er war seit 1984 in Betrieb
2015 waren noch 160 Mitarbeiter im Tagebau tätig. Wie viel man später zum Rekultivieren benötigt, stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Es wurden in diesem Jahr noch 2 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert
Mai 2016 Auskohlung des Tagebaus Schöningen Südfeld beendet und im September wird das Kraftwerk Buschhaus abgeschaltet.
Oktober 2020 endet die vierjährige Bereitschaft des Kraftwerkes Buschhaus. Beginn der Rekultivierungsmaßnahmen im Tagebau Schöningen.

 

Die vier verschwundenen Dörfer

Vier Dörfer fielen dem Tagebau zum Opfer:
Wulfersdorf,  Alt-Büddenstedt,  Runstedt, Alversdorf

Wulfersdorf: Das erste Dorf, das im heutigen Landkreis Helmstedt dem Braunkohletagebau weichen musste, war Wulfersdorf. Zum Zeitpunkt des Abrisses von 1940 bis 1945 gehörte das Dorf zur Gemeinde Harbke. Der Tagebau Harbke/Wulfersdorf wurde 1909 aufgeschlossen. Bis 1952 war er in Betrieb. 1919 lebten in Wulfersdorf 118 Personen. 1840 war dort beim Bau eines Brunnens erstmals Braunkohle entdeckt worden. Der Graf Röttgen von Veltheim ließ daraufhin nach Braunkohle schürfen. 1842 folgte der erste kleine Tiefbau mit Namen August Ferdinand 1.
Alt-Büddenstedt: Bereits Mitte der 1930er Jahre begann die Umsiedlung der ersten Bewohner, weil unter dem Ort wertvolle Kohle lagerte. Die Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke beschlossen den Bau von zunächst 100 Siedlungshäusern auf „kohlefreiem“ Gelände in der Nähe von Büddenstedt. Vor allem während des Zweiten Weltkrieges wurde der Abriss des alten Dorfes forciert, die Rüstungsindustrie brauchte Kohle. Im Jahre 1941 verschwand der Friedhof, die Gräber waren allerdings schon 1938 in die, wie man damals sagte, „Siedlung Büddenstedt“ umgebettet worden. Am Karfreitag des Jahres 1943 wurde die Kirche gesprengt. Die letzten Bewohner verließen im Dezember 1947 kurz vor den herannahenden Baggern ihre Häuser.
Runstedt: Das Dorf stand auf tagebauwürdiger Kohle und wurde in das Abbaugebiet des Tagebaus „Treue“ einbezogen. Bereits seit 1893 hatte die Brikettfabrik Trendelbusch ihr Geschäft dort errichtet. Das letzte Runstedter Gebäude wurde im Oktober 1972 abgerissen. Es war die alte Holländer-Windmühle. Sie lag allerdings außerhalb des eigentlichen Ortes. Der Abriss der Wohnhäuser hatte bereits 1958 begonnen und war zehn Jahr später abgeschlossen. Im Mittelalter hatte sich der Stammsitz der namensgebenden Adelsfamilie von Runstedt in dem Ort befunden.
Alversdorf: Als das Dorf 1971 aufhörte, als selbstständige Gemeinde zu existieren, wohnten dort noch 324 Menschen. Sie wurden nach Schöningen umgesiedelt. Bereits Anfang der 1920er Jahre hatte es erste Pläne gegeben, das Dorf zugunsten des Braunkohle-Tagebaus Alversdorf abzureißen. Von 1940 an durfte dort nicht mehr neu gebaut werden. 1962 wurde der Tagebau schließlich aufgeschlossen, 1967 begann der Abriss des Dorfes, der 1974 beendet wurde. 1991 war der Tagebau Alversdorf ausgekohlt. In Alversdorf befand sich ein Hallenbad, das von den Braunschweigischen Kohlen-Bergwerke AG (BKB) betrieben wurde. Es wurde mit der Abwärme des Kraftwerks „Treue“ beheizt. Der Eintritt war kostenlos. Planungen, südlich von Neu Büddenstedt eine neue Ortschaft mit dem Namen Neu Alversdorf zu errichten, wurden nicht ausgeführt.

Quelle: Ausstellung „Salz & Kohle“, Schöningen, Burgplatz

 

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